11.01.2014, Schwäbische-Zeitung, Rubrik: Kreis und Nachbarschaft
Ein Stern in Waldenbuch
Die „Krone“ holt ihn sich vom Michelin-Himmel – einziges Lokal an der Kreisgrenze
Von außen sieht sie eher unscheinbar aus: die „Krone“, Traditionsgaststätte in Waldenbuch. Seit kurzem ziert sie ein Michelin-Stern – als einziges Restaurant an der Kreisgrenze von Tübingen.
Von Ernst Bauer
Waldenbuch. Seit das „Waldhorn“ in Bebenhausen seinen Stern verlor, hat der Landkreis Tübingen selber kein einziges mit höchsten Gourmet-Ehren bekränztes Lokal mehr. Dabei ist Baden-Württemberg (siehe auch Kästchen unten) mit besten Adressen im neuesten „Guide Michelin“ geradezu gepflastert. Der Kreis Reutlingen kann sich mit zwei gastronomischen Aushängeschildern schmücken – dem Landgasthaus zur Linde in Pliezhausen-Dörnach und dem Restaurant Hirsch in Sonnenbühl-Erpfingen. Allein in Stuttgart gibt es acht Lokale mit Stern, im kleinen Baiersbronn im Schwarzwald gar zwei mit drei und eins mit zwei Sternen.
Einst „Einkehrort“ Tübinger Studenten
Wie kamen die strengen – und sehr diskret, anonym auftretenden – Michelin-Tester auf die „Krone“ in Waldenbuch? Das Lokal liegt rechterhand der Ortsdurchfahrt. Ein älteres, durchaus geschichtsträchtiges Gebäude, wie einer Tafel am Eingang zu entnehmen ist: „Seit 1761 war dieses Haus im Besitz der Familie Kielmeyer“, heißt es da. „Die Krone war ein beliebter Einkehrort Hohenheimer und Tübinger Studenten. Eine Tischplatte mit eingeschnitzten Namen ist noch heute erhalten.“
Ursprünglich beherbergte das Haus in der Nürtinger Straße 14 in Waldenbuch, heute auch im weltweiten Netz eingespeist (krone-waldenbuch.de), ein ganz bodenständiges Handwerk. An der Hauswand ist dazu ein altes Wappen zu entdecken: ein Hund hält eine Brezel im Mund – das Bäckereiwappen der Familie Lindenberger von anno 1705. Gut 300 Jahre später geschah geradezu Wundersames um das langgestreckte Haus am Rande der Altstadt, am Flüsschen Aich, das damals vor der Schließung und auch einige Zeit leer stand.
„Fast unglaublich“ ist es im Nachhinein für Matthias Gugeler, 36, wie er zu dem Objekt kam – und zu seinem Compagnon. „Wir kannten uns praktisch vorher nicht.“ Gugeler führt zusammen mit Patrick Giboin, 41, einem Spitzenkoch, der in Montargis/Frankreich groß wurde und zuletzt im Cube im Stuttgarter Kunstmuseum Chef de Cuisine war, das Sternelokal in der schwäbischen Provinz. Er lernte ihn als Mitinteressenten direkt vor Ort kennen – Anfang 2008, „an meinem freien Abend bin ich mal hierher nach Waldenbuch gefahren, weil ich gehört hatte, dass das geschlossen werden soll, neu verpachtet“, erzählt der Geschäftsführer der Krone, der selber aus Stuttgart-Untertürkheim stammt, Restaurantfachmann gelernt hat und unter anderem im Millennium & Copthorne im Stuttgarter SI-Centrum sowie in der Kongresshalle in Böblingen tätig war. „Ich bin Gastronom und hätte Rieseninteresse an dem Haus“, signalisierte Gugeler dem Hausbesitzer in Waldenbuch. „Warten Sie doch, es kommt noch ein Herr Giboin, der würde sich auch dafür interessieren“, bedeutete ihm jener. Und – so kam‘s: „Keine zwei Wochen später war klar, dass wird das Haus gemeinsam wiedereröffnen würden!“
Der Kollege aus Dörnach rief an und gratulierte
Wie kommen Gugeler & Giboin mit dem Stern zurecht, hat sie der Erfolg überrascht? „Seither klingelt natürlich das Telefon fast ununterbrochen“, berichten sie. Es sei „ein ganz wunderbarer Moment“ gewesen, als sie es erfuhren – von einem Kollegen aus der Nachbarschaft: „Andreas Goldbach von der Linde in Dörnach rief uns an und gratulierte.“ Die Michelin-Leute selber „haben uns bis zum Schluss zappeln lassen“. Erst mit der Verleihung des Sterns bekamen sie es offiziell mitgeteilt. Mit „Freude und Stolz“ nahmen sie die Auszeichnung entgegen. „Insbesondere“, sagt Gugeler, „freut‘s mich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ – insgesamt sechs; die hätten „einen ganz wesentlichen Beitrag geleistet“.
Ganz überraschend kam der Erfolg allerdings nicht: In den vergangenen fünf Jahren habe man sich kontinuierlich gesteigert – mit einer sehr ambitionierten, französisch inspirierten Küche; mit einem „Grand Menu“, das es auch in vegetarischer Form gibt, sechs Gängen für 66 Euro; mit flaumiger Tartelette, gefüllt mit Caillé de Chèvre als Vorspeise; mit erlesener „kompletter Weinreise“ zu den Speisen und einem Weinkeller mit 300 Positionen. „Wir haben neue Produkte und neue Ideen umgesetzt“, beschreiben die Krone-Chefs ihr Erfolgsrezept. Deshalb war es für sie auch kein Wunder: „Wir waren schon letztes Jahr Hoffnungsträger im Michelin.“ Trotz des Sterns blieben sie durchaus bodenständig, wie die Tafel mit dem Tagesgericht bei unserem Besüchle zeigt: Geschmortes Rindfleisch mit Pilzrisotto und Rahmwirsing für 10,50 Euro gab‘s an diesem Tag.
Baden-Württemberg hat die meisten Sterne
Was ist ein Michelin-Stern? In der Gastronomie die höchste Auszeichnung, die ein Restaurant bekommen kann. In Baden-Württemberg stieg die Zahl der Sternelokale von 58 auf 67 nach dem neuesten, im November veröffentlichten Hotel- und Restaurantführer, dem roten Guide Michelin. Kein anderes Bundesland kann sich mit so vielen First-Class-Adressen schmücken. Bayern folgt an zweiter Stelle mit 45 Sternelokalen vor Nordrhein-Westfalen mit 44; bundesweit sind es 274. Im Jahre 1900 wurde der gastronomische Wegweiser der renommierten Reifenfirma erstmals veröffentlicht, zunächst nur in Frankreich. Seit 1964 gibt es eine deutsche Ausgabe des inzwischen internationalen Restaurantführers.