Januar 2014, Magazin Schönes Schwaben, Rubrik: Sterneküche
Thunfisch mit Crevette im Kataifiteig an Avocadocreme, Mango und eingelegtes Gemüse
Von Rolf Maurer
Schreiben konnten die beiden, der Schiller und der Goethe, das weiß heutzutage schon jedes Kind. Aber sie kritzelten mit ihren Federn nicht nur auf Papier, sondern schnitzten ihre Namen auch in die 300 Jahre alten Tischplatten der »Krone« in Waldenbuch im Kreis Böblingen. Tatsächlich sind die Namen der beiden Literaten auf den historischen Tischplatten auch zu lesen, ob sie letztendlich selbst zum Messer gegriffen haben oder ob Tübinger Studenten das für sie übernommen haben, ist noch nicht klar bewiesen. Dass zumindest Goethe in dem heute mehr durch quadratische Schokolade bekannten Städtchen Waldenbuch war, bezeugt ein Eintrag in sein Tagebuch im Jahre 1797: »Waldenbuch selbst ist ein artiger, zwischen Hügeln gelegener Ort mit Wiesen, Feld, Weinbergen und Wald und einem herrschaftlichen Schloß.«
Einen neuerlichen Schub bekam die Bekanntheit des etwas abseits von Magistralen gelegenen Ortes erst vor kurzem, als über Baden-Württemberg die neuen »Michelin-Sterne« für 2014 aufgingen. Einer dieser bekannten Trophäen strahlt nun erstmals in der Waldenbucher »Krone«. Erkocht vom Chef de Cuisine Patrick Giboin, unterstützt vom ganzen Team um Patron Matthias Gugeler. Ganz von ungefähr kommt der Stern für Giboin (42) natürlich nicht, schließlich hat er seine Erfahrungen in bekannten Restaurants der gehobenen Gastronomie gesammelt. Als da wären der »Europäische Hof« in Heidelberg oder die »Zirbelstube« im Stuttgarter Schlossgartenhotel. Giboin liebt die klassische französische Küche, hat sie aber für sich uminterpretiert: weniger Butter, weniger Crème fraîche. Das Gemüse kommt aus der Region, das Fleisch aus deutschen Landen, der Fisch eher aus Frankreich. Daraus wird eine feine europäische Küche mit spezieller Liebe zum Detail, teilweise auch zu einer gewissen Verspieltheit.
Als Erstes bereitet der Chefkoch Giboin den Gemüsesud vor, mischt Zucker, Essig und alle Kräuter und Gewürze zusammen, lässt den Sud zehn Minuten köcheln. Die Flüssigkeit wird auf drei Gefäße verteilt, jedes der Gemüse soll für sich mariniert werden und zwar 24 Stunden lang. Getrenntes Marinieren deshalb, damit der jeweilige Eigengeschmack erhalten bleibt. Weil wir nicht so viel Zeit haben, hat Giboin diesen Gang schon mal vorbereitet, wie man das aus den Fernsehküchen gewohnt ist. Der ganz frische Thunfisch wird nun in kleine Würfelchen geschnitten und mit der Gewürzmischung und den Ölen angemacht und abgeschmeckt. Den Sesam sollte man allerdings kurz in einer trockenen Pfanne anrösten, sonst entwickelt er sein so typisches Aroma nicht.
DIE ZUBEREITUNG der Avocadocreme ist auch kein Hexenwerk. Die geschälte und entsteinte Avocado zusammen mit dem Limettensaft, Salz, Pfeffer und dem Koriandergrün leicht mixen und das Ganze in einen Spritzsack füllen. Das Mango Chutney mit der gewürfelten Königskrabbe hat Giboin auch schon vorbereitet. Er gibt es jetzt auf die abgetropften und ach ausgelegten Rettichscheiben und rollt beides zusammen auf. Der gleiche Vorgang wiederholt sich bei den Karottenscheiben. Mit dem Spritzsack wird die Avocadocreme verteilt und daraus ein Karottenröllchen geformt. Die Kataiteigfäden spinnt Patrick Giboin wie Engelshaar um die blauen Crevetten, gibt sie in 170 Grad heißes Fett und backt sie schwimmend goldgelb aus. Auf einem Küchenpapier verlieren sie ihr überschüssiges Fett und werden gewürzt. Und schon geht es ans Anrichten. Metallring in die Mitte, Thunfisch in die Form bringen, Ring abnehmen und einen Klecks Asia-Mayonnaise drauf, dann hält die Crevette mit ihren gebackenen Fäden besser. Die verschiedenen Röllchen drum herum drapieren, Tomaten dazu und mit Asia-Mayonnaise, Avocadocreme und Kräutern garnieren. Zum Schluss verziert Patrick Giboin die Crevetten noch mit dem grün schillernden Tobiko-Kaviar. »Das ist der Rogen vom Fliegenden Fisch mit Wasabi-Geschmack«, kommentiert Giboin, »wirkungsvoll als Dekoration, aber absolut erschwinglich, 50 Gramm kosten weniger als fünf Euro. Luxusprodukte«, so fährt er fort, »gibt es bei uns nur zu Silvester und an hohen Feiertagen. Wir sind schließlich in Waldenbuch und nicht in Berlin-Mitte.« Recht hat er. Aber Goethe und Schiller hätte es so sicher auch geschmeckt. Guten Appetit!